Von Dr. Peter Jahr MdEP
200 Millionen Wähler aus 28 EU-Mitgliedstaaten folgten im Mai dieses Jahres der Aufforderung ein neues Europäisches Parlament zu wählen. Die europäischen Bürger zeigten damit ein zuvor so nie gezeigtes starkes Interesse an der EU. Über 50 Prozent der wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger nahmen an dieser Europawahl teil. Dies ist die höchste Wahlbeteiligung seit 20 Jahren. In 21 Mitgliedstaaten stieg die Walbeteiligung. In Deutschland lag sie sogar bei über 61,4 % im Vergleich zu 48% im Jahr 2014.
Ebenso erfreulich ist es, dass die Europäische Volkspartei wieder als stärkste Kraft ins Europäische Parlament einziehen konnte. Insgesamt haben sich sieben Fraktionen gebildet. Nach der EVP-Fraktion kommen die Sozialisten, die Liberalen, die Grünen. Die rechtspopulistische Fraktion „Identität und Demokratie“, in der sich beispielsweise die AfD, die italienische Lega und die Bewegung von Marine Le Pen zusammenfinden, wurde fünftstärkste Fraktion. Dann folgen die Konservativen sowie die Linken. Daneben gibt es noch eine bunte Menge von Fraktionslosen und Einzelkämpfern.
Im demokratischen Wahlkampf bekannten sich alle Fraktionen zum im Jahr 2014 eingeführten Prinzip des Spitzenkandidaten, d.h. die Bürgerinnen und Bürger sollen vor der Wahl wissen, wer „europäischer Kanzler“, also Chef der EU-Kommission, wird. Zu meiner großen Enttäuschung wurde dieses transparente Element der Demokratie von den Staats- und Regierungschefs der EU letztlich wieder eingesammelt. Der Spitzenkandidat der EVP-Fraktion, Manfred Weber, wurde von den Staats- und Regierungschefs nicht zum Kandidaten für den Kommissionspräsidenten ernannt. Zur Wahrheit gehört auch, dass die Gegenwehr des Europäischen Parlaments eher symbolisch war. Das war weniger erfreulich.
Die vom Europäischen Rat nominierte und vom Parlament mit knapper Mehrheit bestätigte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen steht nun vor der schwierigen Aufgabe, nicht nur der EU in turbulenten Zeiten eine kraftvolle Perspektive zu geben, sondern auch die Beziehungen zwischen Parlament und Europäischen Rat wieder auf eine vertrauensvolle Basis zu stellen. Und sie hatte verstanden und nutzte bereits ihre Bewerbungsrede zu einem Versuch, auf das Parlament zuzugehen.